Eine Viertelstunde Frohsinn

Das Akkordeon ist schon ein besonderes Instrument, weil es – wie das Klavier – sowohl den Bass als auch die Harmonien klingen lässt, zugleich kann es mit Melodie und Rhythmus spielen. Das Schifferklavier ist wohl etwas aus der Mode gekommen, an klanglicher Vielfalt ist es aber kaum zu überbieten. Vielleicht ist die musikalische Einzelbegleitung von Beate Telgheder im St. Josefshaus auch deshalb so erfolgreich. 

Seit fast 15 Jahren spielt Telgheder wieder Akkordeon, hatte sie das Instrument doch bereits als Kind gelernt und dann für Jahrzehnte in die Ecke gestellt: „Als junge Frau war es vielleicht etwas uncool!“ Sie hatte also einen warmen Wiedereinstieg in die Kunst des Instruments, den sie gemeinsam mit der Autorin Christine Laurenz-Eickmann zum Duo Wort und Klang führte. Die Kombination aus Musik- und Wortbeiträgen brachte sie dann 2018 erstmals ins Josefshaus. Auch während der Pandemie spielte das Duo hier immer häufiger. „Wenn Demenzkranke dabei sind, switchen wir auch ganz schnell um, und machen dann mehr Musik und weniger Wort“, erklärt die 60-jährige Musikerin.



Seit wenigen Wochen kommt sie auch immer häufiger alleine ins Josefshaus, um  die musikalische Einzelbegleitung im Haus zu ergänzen. Bisher beglücken jeweils Conny Brommer und Andreas Jakob mit ihren Gitarren all jene Bewohner und Bewohnerinnen im Haus, die das Bett nicht verlassen können, nun kommt die Akkordeonspielerin hinzu und zeigt noch eine weitere Besonderheit: sie ist nämlich blind.



Mit 28 Jahren verschlechterten sich ihre von Geburt an einwandfreie Sehkraft, dann verlor sie ein Auge. Das andere ließ sie noch viele Jahre mit abnehmender Sehkraft sehen. Seit 2019 ist sie komplett erblindet. „Trotzdem bekomme ich die Atmosphäre im Raum genau mit, wenn ich spiele und die Leute mitsingen oder summen, und das ist schon etwas ganz besonderes.“



Das bestätigt auch Stefanie Schneider vom Sozialen Dienst, die Beate Telgheder zuhause abholt, während des Tages im Josefshaus begleitet und anschließend wieder nach Hause fährt. „Wir merken bei allen musikalischen Einzelbegleitungen ganz unterschiedliche Veränderungen bei unseren Bewohnerinnen und Bewohnern. Fest steht, dass es allen gut tut, weil sich jeder und jede immer wieder freut, wenn die Musik wieder kommt.“



Zweimal im Monat füllt die blinde Akkordeonspielerin nicht nur den Raum, sondern oftmals das Haus mit alten Volksliedern und echten Evergreens. Spielt sie sonst gerne Jazzstandards oder auch mal ein Stück der Beatles oder modernen Pop, konzentriert sie sich hier auf die Stücke aus der Kindheit und Jugend der Bewohner:innen. 15 bis 20 Minuten pro Zimmer, pro Person. Es sind wertvolle Minuten voller Erinnerung und Frohsinn. Bis zur nächsten musikalischen Einzelbegleitung.

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